Hololens
Holo Lens präsentiert sich beim Hand's-On-Test als die komfortabelste VR/AR-Brille, doch wie gut ist das Holo-Add-on zu Halo 5: Guardians und wie viel Potenzial steckt dahinter? Ein bisschen weniger als Microsoft verspricht, aber deutlich mehr, als Sie glauben. Von Ryan Southardt und Benjamin Kratsch.
Microsoft hat uns auf neckische Art veräppelt. Eigentlich stehen die Journalisten in Los Angeles in einer langen Schlange, um Halo 5 zu spielen, das vorerst mal nur auf Xbox One erscheint, aber vielleicht lassen die Redmonder ja auf der Gamescom die Bombe platzen und bringen es auch auf Windows 10. Jedenfalls stehen wir uns so die Beine in den Bauch, da legen uns plötzlich Menschen in weißen Kitteln etwas auf die Nase, messen unseren Augenabstand, notieren ihn auf einem Zettel und drücken uns den in die Hand. "Bitte nicht verlieren", sagen die Microsoft-Mitarbeiter und wir gehen in den nächsten Raum. Wieder warten, wieder anstehen, dann werden uns der Reihe nach Holo-Lens-Brillen auf die Nase gesetzt und der Augenabstand entsprechend eingestellt.
Erste Erkenntnis: Holo Lens ist die derzeit bequemste VR/AR-Brille. Zunächst zwickte es noch etwas an der Nase, weil das recht schwere Gestell auf den Nasenrücken drückte. Doch nach ein paar Handgriffen von Microsoft-Mitarbeitern (selbst Verstellen ist aktuell noch nicht erwünscht, sind wohl recht sensible Prototypen) sitzt die Brille sehr eng am Kopf, verrutscht auch bei hastigeren Bewegungen nicht und liegt sanft auf der Nase auf. Holo Lens bietet aktuell definitiv den höchsten Tragekomfort, weil Sie sich deutlich freier fühlen als beim finalen Oculus-Design oder auch Project Morpheus. Sie tragen ja nur ein recht leichtes Gestell mit Hightech-Ski-Brille vorne dran.
So können Sie sich Holo Lens bildlich ganz schön vorstellen, denn die blaue Lady (Cortana) entspricht in etwa dem sichtbaren Augmented-Reality-Ausschnitt.
Holo-Halo: beeindruckende Tiefenwirkung, aber bitte geradeaus schauen
Das größte Problem von Holo Lens ist der stark beschränkte Sichtbereich. Im Grunde funktioniert die Augmented-Reality nur in einem Rechteck vor Ihren Augen, sobald Sie also nach links oder rechts schauen, geht der Effekt verloren. Das zeigte sich ganz schön bei der Luke, in der Sie in der E3-Präsentation der Pressekonferenz in den Hangar des Raumschiffes UNSC Infinity schauen konnten. Das funktioniert auch tatsächlich, auch mit einer richtigen Tiefenwirkung, der Raum wirkt also real. Aber eben nur in diesem eingeschränkten Sichtfeldbereich.
Lehnen Sie sich an eine Wand an und drehen den Kopf Richtung virtuellem Fenster, dann wandert der schwarze Kasten mit. Das können Sie sich ein bisschen vorstellen wie eine 16:10-Kinoleinwand, auf der aber nur ein Film mit 16:9 läuft. Bei Blu-rays oder im TV haben wir uns schnell dran gewöhnt, insofern könnte das durchaus auch bei Holo Lens der Fall sein, ist aber natürlich eine Einschränkung gegenüber Konkurrenzprodukten wie HTC Vive oder Oculus, die es auch ermöglichen, sich nach hinten zu drehen. Bei Spielen wie ADR1FT schafft das beispielsweise eine ganz besondere, klaustrophobisch anmutende Atmosphäre, weil Sie sich dort ja im Raumanzug drehen, ergo nur das Schwarz des Helms sehen.
Dynamische Spielwelten und der Master Chief im Wohnzimmer
Der derzeit größte Vorteil von Holo Lens liegt in der Dynamik seiner Technik. Oculus bindet Sie durch das Kabel mehr oder minder an einen Ort nahe Ihres PCs, für HTC Vive hingegen müssen Sie separate Sensoren-Sender an den Wänden befestigen, was ganz schön aufwendig ist. Mit Holo Lens hingegen können Sie sich ohne Kabelgewirr frei im Raum bewegen, Spieleentwickler können überall beliebig Objekte hinterlegen. In der Halo-Demo ist das ein Waypoint, der in der Luft schwebt, sowie ein Spartan, der eine Tür zum nächsten Konferenzzimmer bewacht und uns per Handschwenk reinbittet. Das funktioniert von der Immersion erstaunlich gut, weil eben nicht das ganze Bild digital "bearbeitet" ist.
Die Immersion funktioniert erstaunlich gut.
Sie können sich das Folgendermaßen vorstellen: Wenn Microsoft den Spartan-Soldat nicht vor die Konferenz-Tür, sondern neben Ihren Fernseher gestellt hätte, dann würden Sie den Master Chief als digitale Figur sehen, rechts und links aber Ihr normales Wohnzimmer. Holo Lens arbeitet dabei mit bewährten Microsoft-Technologien wie dem Kamera-Tracking der Xbox-One-Kinect-Generation sowie der Sprachanalyse-Software von Cortana. Dazu kommen ein Beschleunigungs- sowie Lagesensor und ein Magnetometer als Kompass. Alle Berechnungen werden auf der ersten CPU vorgenommen, eine zweite steht für Entwickler-Apps zur Verfügung. Auf der dritten wird das "holografische" Augmented-Reality-Bild berechnet.
Fazit: Holo Lens
Erleben wir Taktikbesprechungen in Spielen in Zukunft als Holo-Version? Die Immersion funktioniert erstaunlich gut, Holo Lens kann eine ganze Menge. Aber weniger als Microsoft verspricht: Der größte Flaschenhals ist aktuell der eingeengte Sichtbereich. So ist das Bild zwar immer sehr scharf, aber Sie können eben nicht wie in der E3-Pressekonferenz einfach Ihren Wohnzimmer-Tisch zu einer kompletten Minecraft-Welt aufbauen. Stattdessen würden Sie immer nur einen Turm sehen oder eben einen Ausschnitt der Spielwelt, aber nie alles im Ganzen. Das ist schade, weil es die Technologie sehr behindert.
Der größte Flaschenhals ist aktuell der eingeengte Sichtbereich.
Würde der Master Chief in Ihrem Wohnzimmer stehen, würden Sie nur seinen Kopf bis Torso sehen, nicht die ganze Figur. Die sehen Sie nur, wenn Sie mit der Brille auf der Nase langsam nach unten fahren. So oder so dürfte es bis zu einer Consumer-Version noch eine gewisse Zeit dauern, denn Microsoft wird sicherlich nicht riskieren wollen, dass das Milliarden-Projekt Holo Lens den Google-Glass-Tod stirbt. Ein Microsoft-Mitarbeiter, der allerdings anonym bleiben wollte, hat der New York Times im Mai verraten, das das Gerät preislich etwa zwischen Xbox One und High-End-Smartphone liegen wird. Unser Tipp: 399 US-Dollar.